IM GESPRÄCH MIT UNSEREN SOZIALBEGLEITER:INNEN

Sozialbegleiter Ewald: „Menschen mit psychischen Erkrankungen sind genauso wertvoll wie alle anderen!“

 

Ewald Berger (55) ist seit 2015 bei pro humanis als ehrenamtlicher Sozialbegleitung aktiv. Ansonsten arbeitet der Kainbacher für die ÖBB am Grazer Hauptbahnhof im Sicherheitsdienst. Hier spricht er über seine Erfahrungen bei pro humanis.

 

 

Du bist jetzt schon seit 9 Jahren bei pro humanis als ehrenamtlicher Sozialbegleiter aktiv. Was hat dich damals dazu bewogen, dich in diesem Bereich zu engagieren?

Ich war und bin schon lange auch bei der Tafel Österreich engagiert, die von Armut Betroffene und armutsgefährdete Menschen mit Essen versorgt. Eine Kollegin dort hat mich auf den Verein pro humanis hingewiesen und mir vorgeschlagen, dass ich mich auch dort einbringen könnte. Da ich immer schon gerne mit Menschen gearbeitet habe, war ich gleich interessiert.

Wie würdest du deine Einstellung gegenüber Menschen mit psychischen Erkrankungen beschreiben?


Ich wollte mit Menschen mit psychischen Problemen arbeiten, weil sie oft niemanden haben, der sich mit ihnen beschäftigt. Viele werden allein gelassen. Ich finde es wichtig, diesen Menschen zu zeigen, dass sie in der Gesellschaft genauso gebraucht werden und dass sie ein wertvoller Teil davon sind. Sie haben oft das Gefühl, für nichts gut zu sein, doch das stimmt nicht. Dieses Gefühl will ich meinen Klienten vermitteln: „Du wirst gebraucht! Und du bist nicht alleine mit deinen Problemen.“

Wie geht es dir in deiner Sozialbegleitung?


Ich betreue meinen jetzigen Klienten seit drei Jahren. Anfangs haben wir uns jede Woche getroffen, jetzt nur mehr alle zwei. Das passt für uns besser. Alle 14 Tage treffen wir uns jetzt in der Stadt und er erzählt mir, wie es ihm geht und was in seinem Leben passiert. Für mich ist es schön zu sehen, wie er langsam auftaut. Er hatte früher Angst, hinauszugehen, aber jetzt hat er wieder mehr Energie und Lebensfreude. Er hat mir auch schon gesagt, dass er das auch mir zu verdanken hat. Das ist ein sehr schönes Gefühl.

Was hast du in deiner Erfahrung als Begleiter bisher gelernt?

Dass es manchmal wichtig ist, Grenzen zu ziehen und Nein zu sagen. Bei anderen Klienten gab es für mich in der Vergangenheit das Problem, dass sie Dinge von mir wollten, die über die Grenzen der Sozialbegleitung hinausgehen. Wir sind keine Haushaltshilfe oder Psychotherapeuten und das muss zwischen Klient und Sozialbegleiter klar sein. Manchmal sind auch Schlussstriche notwendig und das ist in Ordnung. Man darf nie auf sich selbst und seine eigenen Grenzen vergessen.

Was macht eine gute Sozialbegleitung deiner Meinung nach aus?

Dass man ehrlich zueinander ist, finde ich ganz wichtig und auch, dass man den Klient:innen gut zuhört. Aber auch Schweigen muss man lernen auszuhalten. Manchmal ebben Gespräche ab und dann gibt es eine lange Stille. Das muss man auch zulassen können und den Klienten nichts aufzwingen. Sie sollen sich nicht gezwungen fühlen, Dinge zu erzählen oder zu tun, für die sie sich nicht bereit fühlen.


Ich finde es auch wichtig, dass man seinen Klienten spüren lässt, dass man ehrlich an ihnen interessiert ist und sie einem alles erzählen können. Dabei ist Verschwiegenheit essenziell - was in der Begleitung besprochen wird, erfährt kein anderer. In Zeiten von Social Media, wo manche Menschen gerne alles veröffentlichen, was sie erleben, ist das besonders wichtig. Ein Vertrauensbruch wäre ganz schlimm und ein grober Fehler vonseiten des Begleiters.


Hat deine ehrenamtliche Tätigkeit Einfluss auf dein restliches Leben?


Mir hat die Sozialbegleitung sehr viel gebracht. In meinem Beruf im Sicherheitsdienst habe ich auch immer wieder mit Menschen zu tun, die psychische Probleme haben. Sie haben oft keine Unterstützung oder wollen keine. Ich habe durch meine Zeit bei pro humanis gelernt, niemanden dafür zu verurteilen, dass er anders ist und kann anders auf Menschen zugehen.

Auch im Privatleben wissen alle, dass ich Sozialbegleiter bin und wollen mit mir sprechen, wenn es ihnen nicht gut geht. Da höre ich dann auch gerne zu.


Fühlst du dich im Verein gut aufgehoben?


Ja, auf jeden Fall. Wenn man bei einem Klienten nicht mehr weiter wissen sollte, ist immer sofort jemand da, um mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Auch die Supervisionen, die angeboten werden, finde ich sehr wichtig. Die Personen, die sie leiten, sind sehr kompetent und geben wertvolle Tipps. Auch der Austausch mit anderen Ehrenamtlichen ist wichtig, wir können einander weiterhelfen und über Probleme offen sprechen. Ich habe den Verein auch schon vielen Leuten in meinem Bekanntenkreis weiterempfohlen.


Was würdest du den Menschen raten, die jetzt in unserer Schulung sitzen, um Sozialbegleiter:innen zu werden?

Ich finde es wichtig, mit möglichst wenigen Erwartungen in die Begleitung zu gehen. Wenn man die Schulung absolviert hat, wird man einem Klienten zugeteilt und kann ihn bei einem Erstgespräch kennenlernen. Dort kann man sich gegenseitig beschnuppern und auch Nein sagen, wenn man sich mit jemandem nicht wohlfühlt.

Dann muss man die Klienten einfach spüren lassen, dass sie einem vertrauen können und dass man ehrlich an ihnen interessiert ist. Zu viel Nachgrübeln tut nicht gut, denke ich. Wenn es zwischen Klient und Sozialbegleiter passt, einfach gemeinsam losmarschieren!